Türchen 10

Das dubiose Geschäft im Jugendbereich

Das Wichtigste in Kürze

  • Spielerberater dürfen bei Transfers von minderjährigen Spielern weder von Klubs noch von Spielern eine Bezahlung annehmen.
  • Trotzdem werden bereits Eltern von 13-Jährigen von Spielerberatern kontaktiert – auch in Luzern.
  • Unseriöse Spielerberater versprechen die grosse Karriere und hoffen ihrerseits auf das grosse Geld.

Es ist ein zwielichtiges und moralisch verwerfliches Geschäft: die Beratung und Vermittlung von Spielern im Jugendbereich. Im Fokus: junge, talentierte Fussballer und deren Eltern. In Aussicht: die grosse Karriere und das grosse Geld. Häufig die Realität: geplatzte Träume und falsche Versprechen.

 

Das Talent

3. Dezember 2022, Kunstrasenfeld Allmend 1, Bern: Die U16 von YB und des FC Luzern trennen sich 3:3. Andrej Vasovic schiesst für den FCL zwei Tore. Für die anwesenden Scouts und Spielerberater ist das keine Überraschung. Der 15-Jährige hat in der Vorrunde sagenhafte 21 Treffer (in 16 Spielen) erzielt. Der Lohn: Im Oktober wurde der Stürmer erstmals für die Schweizer U16-Nati aufgeboten. Das freut besonders die Beratungsagentur Footuro. Vasovic ist seit November bei ihnen unter Vertrag. Gehälter werden auf dieser Stufe in der Schweiz noch nicht bezahlt und Sponsoren sind in diesem Alter ebenfalls noch kein Thema. Bei was die Agentur einen 15-Jährigen berät, bleibt unklar.

 

Die Regeln

Um Spielerberater zu werden, brauchte es bis 2015 eine von der Fifa ausgestellte Lizenz, die man nur nach bestandener Prüfung erhalten hat. Seither kann jeder Spielerberater werden. Das Reglement zur Arbeit mit Vermittlern des SFV aus dem Jahr 2019 legt vor allem fest, dass bei einer Vertragsverlängerung oder einem Transfer mit beteiligten Beratern ein Vermittlungsvertrag abgeschlossen und dieser dem SFV zwecks Transparenz eingereicht werden muss. Zudem wird bestimmt, dass der Vermittler für seine Dienste entweder maximal fünf Prozent des jährlichen Spielerlohns oder eine einmalige Bonuszahlung des Klubs erhält. Wenn der Spieler minderjährig ist, dürfen jedoch keine Zahlungen an den Vermittler geleistet werden. Gutes Geld verdienen Berater also erst, wenn ein volljähriger Spieler einen Profivertrag unterschreibt.

 

Die Berater

Dennoch interessieren sich viele Agenturen und Berater enorm für solche Talente. Warum? Die Antwort liegt auf der Hand: Sie wittern das grosse Geld, sehen Beratertätigkeiten im Nachwuchsbereich als Investition in die Zukunft und suchen darum in den Schweizer Juniorenligen nach den grössten Talenten (etwa nach dem nächsten Ardon Jashari), um aus ihnen Goldgruben (für wen wohl?) zu machen. Gerade die Beratungsagentur Footuro sei bekannt dafür, bereits sehr junge Spieler unter Vertrag zu nehmen, erzählt uns ein ehemaliger FCL-Nachwuchstrainer. Neben Vasovic sind auf der Website von Footuro noch sieben weitere FCL-Junioren gelistet. Footuro bestätigt auf Anfrage, dass die Agentur Talente ab der Stufe U15 betreut. Dies sei im Vergleich mit anderen Agenturen allerdings nicht aussergewöhnlich.

 

Goldau II statt 1. FC Köln

Der Vater eines FCL-Nachwuchsspielers erzählt: «Die ersten Scouts und Berater habe ich bereits bei Spielen der FE-13 gesehen. Als mein Sohn für die Schweizer U15-Nationalmannschaft aufgeboten wurde, hat mich dann jemand von Footuro angerufen». Da er in einem Beraterengagement aber keinen Sinn sah, hat er den Kontakt rasch wieder abgebrochen. Footuro gilt grundsätzlich als seriöse Agentur, hat auch Spieler wie Marco Burch oder Lorik Emini unter Vertrag. Doch in der Branche tummeln sich viele zwielichtige Figuren. «Unseriöse Berater sprechen junge Spieler oft direkt an, statt zunächst mit den Eltern oder mit dem Klub in Kontakt zu treten», sagte der damalige FCL-Nachwuchschef Genesio Colatrella 2016 der NLZ. Und sie versprechen ihnen das Blaue vom Himmel, wie die Erfahrung eines ehemaligen FCL-Juniors mit einem anderen Berater zeigt, der einen gefälschten Profivertrag des 1. FC Köln unterschrieben hat und nun statt in der Bundesliga in der 3. Liga bei Goldau II kickt.

 

Unterschiedliche Beweggründe

Es liegt auf der Hand, dass ein 15-Jähriger noch keinen Berater braucht. Der Weg in den Profifussball ist in diesem Alter noch sehr weit – und steinig. Doch wegen der Professionalisierung im Nachwuchsbereich werden in der Schweiz viele so genannte Talente ausgebildet. Ihnen wird suggeriert, sie seien etwas Besonderes. Da rennt ein Berater häufig offene Türen ein. Colatrella sagte damals der NLZ, es gäbe drei Kategorien von Spielern, die mit Beratern in Kontakt kommen. Erstens seien da die Nationalspieler. «Die können wir nicht abschirmen.» Zweitens die Spieler, die unbedingt einen Berater wollen, weil es statusrelevant ist, und drittens diejenigen, die sich in einer ausweglosen Situation wähnen und Hilfe suchen. Letztere seien am ehesten anfällig, um auf einen unseriösen Berater reinzufallen. «Als talentierter Fussballer erlebt man zwischen 16 und 18 Jahren eine schöne Phase, zum Teil verliert man den Bezug zur Realität. Da ist es schwierig, sich und dem Umfeld einzugestehen, dass man nicht gut genug ist, um Profi zu werden», sagt Colatrella. Der bereits zitierte ehemalige FCL-Nachwuchstrainer sagt dazu: «Es braucht ein gutes familiäres Umfeld, das dich vor zwielichtigen Beratern und leeren Versprechen schützt.»

 

Unterstützung im Klub

Der FC Luzern hat auf die zunehmende Zahl der Spielerberater im Jugendbereich reagiert und im Jahr 2020 mit Marco Schneuwly einen Talentmanager eingestellt, der genau diese jungen Spieler an der Schwelle zum Profifussball auf und neben dem Platz unterstützen soll. «Ich bin in allen Belangen für die talentierten Spieler da und spreche mit ihnen auch über ihre Ausbildung», sagte er Anfang Jahr im FCL-Talk. «Gerade wenn es schulisch nicht gut läuft und man auch im Fussball eine schwächere Phase hat, braucht man Unterstützung», sagt der Vater des FCL-Nachwuchsspielers. Sein Sohn ist mittlerweile in Tuchfühlung mit der ersten Mannschaft und hat trotz Skepsis einen Berater engagiert – und zwar in einer Phase, als die Berater nicht Schlange gestanden sind. «Nun läuft es ihm wieder besser und er hat wieder ein Aufgebot für die Nationalmannschaft erhalten. Viele Berater haben sofort wieder angerufen. Doch sie waren zu spät.» Das verlockende Stück vom Transferkuchen hat jemand anderes erhalten. Doch das nächste Talent wartet bestimmt.


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