Türchen 14

«Persona non grata» – Petralito-Story Teil 2

Das Wichtigste in Kürze

  • Giacomo Petralito bringt mal kurz 300 SIM-Karten und Telefone zu Moggi – wozu?
  • Ob Geldtransport oder Kampfkunst – Petralito lässt nichts anbrennen.
  • Petralitos Schaffen macht vor Grenzen nicht halt – auch in Deutschland ist er kein Unbekannter.

Verbrieft ist, dass Petralito in einen der grössten Fussball-Skandale aller Zeiten verwickelt war: Im Mai 2006 wurde der italienische Fussball in seinen Grundfesten erschüttert. Luciano Moggi, der Generaldirektor von Juventus Turin, hatte über Jahre hinweg ein unglaubliches System aufgebaut, um Schiedsrichter zu manipulieren und seinem Fussballclub zu Erfolgen zu verhelfen (von Rolex-Uhren und Ferraris war die Rede). In der Saison 2004/2005 wurden angeblich 29 von 38 Partien von Juventus verfälscht.[1] Mittendrin: 300 Handys aus der Schweiz und Giacomo Petralito. Dieser wird zwar später seine Rolle hinunterspielen, aber trotzdem mit einem gewissen Stolz in der Stimme erzählen: «Ich habe die Telefone zur Verfügung gestellt.» Diesen Satz erwähnte er 2021 in einem Video-Interview. Eine kleine Transkription daraus[2]:

Reporter: «Also du hast die SIM-Karten und die Telefone aus der Schweiz ihm (Moggi) gebracht?»

Petralito: «Genau.»

Reporter: «Was hast du denn gedacht, als er gesagt hat, bring mir doch mal 300 Telefone und 300 SIM-Karten?»

Petralito: «Da muss ich ehrlich sagen, ich habe mich da nicht damit beschäftigt, ich hatte mit Juventus allgemein eine gute Beziehung.»

Natürlich kann man dies glauben, aber ebenso gut kann sich hier jeder seine eigenen Gedanken machen.

5 Mio. im Koffer – Problem wo?

Im selben Video-Interview brüstet sich Petralito übrigens nur wenige Sekunden später damit, dass er ebendiesem Juve-Boss auch mal 5 Millionen Schweizer Franken in bar (!) aus der Schweiz nach Italien gebracht habe, um einen Spielertransfer zu ermöglichen. Dies hat sich gemäss Petralito wie folgt zugetragen: «Ja, das war mutig. Ich habe das Geld in Lugano abgeholt. Moggi hat mir gesagt, ich müsse schnell machen, sonst unterschreibe der Spieler bei Inter Mailand. Also bin ich am nächsten Tag über die Grenze gefahren und das Lustige war, dass der Zöllner mich fragte, ob ich etwas zu deklarieren hätte und ich habe ʹneinʹ gesagt.»[3] Solche Storys hört man ständig in Verbindung mit Petralito. Vor allem wenn man ihm selbst zuhört, kriegt man oftmals Erfolgsgeschichten und ebendiese ʹlustigenʹ Geschichten zu hören.

Kampfkunst

Aber es gibt eben auch die anderen. Wie bereits erwähnt, machte es für den neutralen Betrachter den Anschein, dass er in Basel nicht besonders beliebt war. 2009 artete die Chose jedoch nicht in Basel, sondern in Zürich aus: Auf dem GC-Campus in Niederhasli wurde Petralito gegenüber einem Journalisten handgreiflich. Oder wie es der Tages-Anzeiger formulierte: «Der Spielervermittler brachte den Journalisten mit Faustschlägen zu Fall und trat ihn danach mit den Füssen, bis er von einem Trainingsbesucher zurückgehalten wurde.»[4] Bereits zuvor ging Petralito, der sich vor Gericht wohlzufühlen scheint, zweimal juristisch gegen besagten Journalisten vor.[5]

Sackgeld

Ebenfalls in dieser Zeit hat sich die Anekdote mit Stefan Niedermaier zugetragen, der von 2005–2010 CEO von YB war. Dieser erzählte in einem Fussball-Talk, dass ein Spielerberater (welchen er zwar nicht namentlich nannte, bei dem es sich aber um Petralito handeln dürfte) seinen damals etwa 10jährigen Sohn (im Wissen, wer sein Vater sei) im Stadion abgepasst habe und ihn nach seinem Lieblingsspieler gefragt sowie ihm ein Trikot von diesem versprochen habe. Der Lieblingsspieler war Ronaldinho, ein Trikot erhielt der enttäuschte Junge nie – als Entschädigung drückte der Spielerberater jedoch dem Buben (wir erinnern uns, dass dieser 10jährig war) bei einem der nächsten Stadionbesuche 100 Franken in die Hand, was dieser voller Stolz gleich dem Vater erzählte. «Etwa drei Sekunden später war besagter Spielerberater nicht mehr im Stadion.», schliesst Niedermaier die Anekdote.[6]

Business auch in Bern …

YB und Petralito begegneten sich später noch einmal – wenn auch nur indirekt: eine ziemlich verworrene Geschichte in Zusammenhang mit Hakan Yakins Wechsel von YB zu Al Gharafa in Katar. Petralitos Agentur stellte dazumal YB einen sechsstelligen Betrag in Rechnung, welcher eigentlich von Hakan Yakin zu begleichen war. Nach einer Betreibung seitens Petralitos Agentur bezahlte YB den Ausstand und versuchte das Geld seinerseits bei Yakin einzufordern. Als dieser nicht bezahlte, landete die Angelegenheit vor Gericht und Hakan Yakin wurde dazu verpflichtet den Betrag, welchen Petralito bei YB einforderte, an YB zurückzuzahlen.[7]

… und im grossen Kanton

In den 2010er-Jahren machte dann Petralito auch vermehrt in Deutschland Geschäfte. Insbesondere der VfL Wolfsburg schien es ihm angetan zu haben. Die Geschäfte waren so unklar, dass dem damaligen Manager des VfL, Klaus Allofs, in den Medien vorgeworfen wurde, er würde bei Spielertransfers, an denen Petralito beteiligt sei, bei den Kommissionsgeldern mitverdienen. Dies führte schlussendlich dazu, dass der Aufsichtsrat des VfL Wolfsburg 2016 ein Verbot für Transfers mit Petralito aussprach, wie in einer grossen deutschen Zeitung zu lesen war. Ein Grund war gemäss dieser Zeitung, dass Allofs bei Transfers immer wieder Petralito als Zwischenhändler einschalte – obwohl dies gar nicht notwendig sei.[8]

Vor der Justiz

Dass sich Petralito immer wieder einschaltet – scheinbar zuweilen auch ungefragt – passt zu zwei weiteren Gerichtsverfahren, aus denen er als Verlierer hervorging. 2018 verklagte Petralito den 1. FC Köln auf zwei Millionen Euro, da er gemäss eigener Aussage den damaligen Trainer von Tianjin Quanjian von einem Transfer des Köln-Spielers Anthony Modeste überzeugt hatte. Der 1. FC Köln hat diese Darstellung aber stets bestritten – und das Gericht gab dem Club vollumfänglich Recht. Spannendes Detail: Der 1. FC Köln hatte Petralito aussergerichtlich eine Zahlung von EUR 500’000 angeboten, doch dies war Petralito zu wenig.[9] Wer zu gierig wird …

Dabei hätte es Petralito doch besser wissen sollen, denn bereits zwei Jahre zuvor hatte er den Schalke-Sportchef Christian Heidel vor Gericht gezerrt. Gemäss Petralito habe er den Wechsel von Christian Heidel von Mainz zu Schalke erst ermöglicht. Heidel schildert den ersten Kontakt mit Petralito wie folgt: «Ich kenne diesen Herrn überhaupt nicht, hatte ihn einmal 15 Jahre vorher getroffen. Und da fällt er mir um den Hals und fragt, wie es meiner Familie gehe.» Er habe die Gespräche sofort abgebrochen, als er merkte, dass Petralito eine Provision wolle. «Ich brauche keinen Berater.» Petralito sah das freilich anders und verklagte Heidel auf eine halbe Million Euro.[10] Das Verfahren wurde eingestellt.

Dies sind nur einige der Storys, die über Gioacchino Petralito bekannt sind. Was auffällt ist, dass doch einige seiner ʹAngelegenheitenʹ entweder vor Gericht gelandet sind oder sonst einen fahlen Beigeschmack haben, selbst wenn ihm kein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann (300 Telefone lassen grüssen).

Und nun Luzern?

Nachdem es sich Petralito nun also bereits mit einigen Klubs und Klienten verscherzt hat, scheint er nun zu versuchen, via Bernhard Alpstäg beim FCL seine Deals zu machen. Ob die Gründung der BA Sport AG und der Beraterknatsch um Ardon Jashari zur selben Zeit nur Zufall waren und welche Rolle Petralito dabei spielte, darüber darf sich jeder seine eigene Meinung bilden. Aber dass ein Mann mit dieser Vorgeschichte bei den Fans eine «Persona non grata» darstellt, darüber darf sich nun wirklich niemand wundern.

Zum Wohle des FCL ist nur zu hoffen, dass Petralito nicht in zu viele Transfers verwickelt sein wird.

[1] https://www.watson.ch/sport/unvergessen/910946023-calciopoli-skandal-um-juventus-der-tag-an-dem-luciano-moggi-aufflog

[2] https://www.blick.ch/sport/fussball/blick-kick/blick-kick-der-fussball-talk-spielerberater-giacomo-petralito-packt-aus-id16862375.html, Min. 07.48–08.26

[3] https://www.blick.ch/sport/fussball/blick-kick/blick-kick-der-fussball-talk-spielerberater-giacomo-petralito-packt-aus-id16862375.html, Min. 08.14–09.50

[4] https://www.tagesanzeiger.ch/ta-journalist-attackiert-534199217731

[5] https://www.20min.ch/story/spielervermittler-pruegelt-auf-journalisten-ein-130525159618

[6] https://www.srf.ch/audio/sykora-gisler/folge-18-mit-stefan-niedermaier?id=11800975, Min. 31.10–31.45

[7] https://www.luzernerzeitung.ch/sport/fussball-klage-gutgeheissen-yb-kriegt-viel-geld-von-hakan-yakin-ld.91386

[8] https://www.bild.de/sport/fussball/vfl-wolfsburg/verbietet-allofs-lieblings-berater-48451254.bild.html

[9] https://www.express.de/sport/fussball/1-fc-koeln/1-fc-koeln-muss-giacomo-petralito-wegen-modeste-nichts-zahlen-57538

[10] https://www.wa.de/sport/schalke-04/schalke-sportvorstand-christian-heidel-gewinnt-prozess-gegen-spielerberater-giacomo-petralito-9908665.html

 


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