Türchen 15

Der Transfer: ziemlich komplex

Das Wichtigste in Kürze

• Klar: Kein Transfer ist gleich wie der andere – gewisse Zahlen schwirren dennoch im Raum herum.
• Passt ein Spieler oder nicht? Das sog. Spielerprofil soll das aufzeigen.
• Und dann wird verhandelt, verbandelt, administriert, abgegolten und und und …

Vieles war in den letzten Tagen zu möglichen Transfermodellen, Bildrechten und zwielichtigen Geschichten rund um Vereinsübertritte von Profifussballern zu lesen. Doch wie sieht ein ʹtypischerʹ Transfer beim FCL eigentlich aus? Und welche Hürden gilt es womöglich bei einem Spielerwechsel zu meistern? Wo lauern Gefahren? Der Versuch einer Zusammenfassung.
Auch wenn jeder Transfer eine individuelle Geschichte schreibt, kann man dessen Ablauf in der FCL-Organisation im Optimalfall in typische Phasen aufteilen.

Scouting

Die mittlerweile auf vier Leute angewachsene Scoutingabteilung bildet die Grundlage für all das Wissen, welches beim FC Luzern über Spieler und andere Vereine vorhanden ist. Mehrmals wöchentlich beobachten die Scouts Spiele und Spieler im Junioren- wie auch im Erwachsenenbereich. Bildeten bis vor kurzem vor allem die Schweiz und das nahe Ausland das Kerngebiet der FCL-Scoutingbemühungen, kann der Fokus aufgrund der gewachsenen Belegschaft nun auch in neue Zielmärkte erweitert werden.
Rapportiert werden die gewonnen Erkenntnisse in der zentralen SAP-Sports-One-Datenbank. Die Implementierung dieses Systems beim FCL war bekanntlich eine der Aufgaben von Daniel Schrecker (siehe Türchen 8 u. 9).

Kaderplanung mit Spielerprofilen

Die Kaderplanung für die nächste (Halb-)Saison ist eine permanente Aufgabe. Dafür werden Spielerprofile definiert, um den Fokus gezielt auf Spieler zu richten, die zum FCL bzw. ins Spielergefüge passen könnten. Dies erfolgt durch die Sportkommission mit Remo Meyer im Lead. Ein Alleingang ist dieser Prozess also nicht – mit Mario Frick (Cheftrainer), Stefan Marini (Leiter Technik & Entwicklung) und Stefan Wolf (Präsident) stehen Remo Meyer kompetente Personen zur Seite.
Ist das Spielerprofil einmal definiert, geht es darum, die eigene Datenbank zu durchforsten sowie externe Quellen zu nutzen, um das Augenmerk auf potenziell passende Spieler richten zu können. Wichtige Punkte dabei auch: die vertragliche Situation, das Alter und Entwicklungspotenzial oder die Nationalität – und natürlich auch weitere Eigenschaften, z. B. das Verhalten des Spielers auf und neben dem Spielfeld oder dessen Teamfähigkeit.

Kontaktaufnahme – Verhandlungen

Irgendwann erfolgt dann die Kontaktaufnahme mit dem Agenten bzw. der Beratungsagentur des Wunschspielers. Angesprochen wird dabei natürlich nicht nur das künftige Salär des Spielers. Da heutzutage eine Vielzahl an möglichen Forderungen, Klauseln und speziellen Vertragsdetails verhandelt wird, kann ein fertig ausgearbeiteter Arbeitsvertrag am Ende gut und gerne mal 40 bis 50 Seiten umfassen, wie Remo Meyer im FCL-Podcast #11 vom März 2021 preisgab.
Dass bei einem Transfer die Berater/Agenturen teilweise tüchtig am Kuchen teilhaben, dürfte nicht überraschen… Eine oft kolportierte Zahl ist der Rahmen eines Monatslohns oder bis zu einem Zehntel der Gesamtsumme eines Deals. Tendenziell gibt es bei jungen Spielern wenig bis nichts, bei arrivierten Kräften etwas mehr, bei Stars kann dann richtig Geld gescheffelt werden.
Oft werden die Übertrittsmodalitäten direkt zwischen den betroffenen Vereinen verhandelt. Dies kann aber auch über den Agenten/Berater des Spielers geschehen. Komplexer ist es so oder so geworden: Um Auflagen zur Bekämpfung von Korruption, Financial Fairplay und unlauterem Wettbewerb zu umgehen, kennt die Fantasie der Verhandlungspartner bezüglich Transfermodalitäten kaum Grenzen. Heute sind Erfolgsbeteiligungen, Kaufoptionen oder -pflichten, Ratenzahlungen und weitere Klauseln gang und gäbe.

Nach der Einigung

Liegen die vereinbarten Summen im Budgetrahmen, kann Sportchef Remo Meyer den Transfer definitiv in die Wege leiten. Ansonsten ist der Umweg über die Sportkommission nötig, welche das OK geben muss.
Was folgt, sind der medizinische Check beim Vertrauensarzt, die Unterschrift und anschliessend der administrative Aufwand bei Behörden und Liga, um den Spieler sowohl als Arbeitnehmer, wie auch für den Spielbetrieb zu registrieren.

Ausbildungsentschädigung

FIFA und SFL schreiben bei ablösefreien Transfers von U23-Spielern eine Entschädigung an den vorherigen Ausbildungsverein vor. In der Schweiz beträgt diese Summe gemäss Reglement pauschal 40’000 Franken pro Saison zwischen dem 12. und 21. Geburtstag eines Spielers im abgebenden Verein. In der Praxis kann diese Summe aber auch verhandelt werden. Zusätzlich wird bei allen Transfers ein Ausbildungsbeitrag an die Liga fällig, welcher für die Nachwuchsförderung eingesetzt wird.
Bei internationalen Transfers oder Transfers im Ausland gehen 5 % der vereinbarten Ablösesumme anteilsmässig an alle Vereine, die den Spieler vom 12. bis zum vollendeten 23. Lebensjahr ausgebildet haben. Da könnte man die FIFA ja fast schon als Robin Hood für die kleinen Vereine bezeichnen…

Die Krux mit den Bild- und Namensrechten

Wie im Adventsblog bereits früher dargelegt (Türchen 12), wird der Kampf um Bild- und Namensrechte von Fussballspielern teils mit harten Bandagen geführt. Dies hat nicht nur für den Spieler selbst potenziell unliebsame Konsequenzen, auch den Transferprozess kann eine solche Konstellation entscheidend beeinflussen. Inhabende (etwa Berater/Agenturen) von entsprechenden Rechten können damit (u. U. bei jedem Transfer in der Karriere eines Spielers) ein regelrechtes Powerplay aufziehen und sich einen bedeutenden Anteil an den gehandelten Summen einverleiben. Am Verhandlungstisch sitzt also neben den Vereinen oft noch eine dritte Partei, die bei für sie unliebsamen Verhandlungsergebnissen den Spielerwechsel gegen den Willen der Vereine und des Spielers verhindern kann. Oft wird die verfügbare Transfersumme zwischen dem abgebenden Verein und dem oder der Rechteinhaberin aufgeteilt, wodurch dem abgebenden Verein unter Umständen eine beträchtliche Summe entgeht. Womit wir wieder bei den Herren Alpstäg und Petralito wären: Genau dieses Geschäftsmodell ist gemäss Handelsregistereintrag einer der Zwecke der BA Sport AG wie auch der Petralito Sport Service GmbH¹. Ob Transfergewinne im Falle eines FC Alpstägs auch in Zukunft in den Kassen des FCL landen werden? Fragezeichen sind zumindest erlaubt.

Das Negativbeispiel: Der Fall um Mamic und Dinamo Zagreb


Es würde den Rahmen sprengen, den wohl berühmtesten Fall im internationalen Fussball detaillierter aufzurollen, in dem sich der Präsident von Dinamo Zagreb durch fragwürdige Klauseln vieler Jugendspieler Anteile an deren Gehältern gesichert hatte und so über Jahre hinweg die Karrieren von Modric, Lovren und vielen weiteren Spielern kontrollieren konnte. Dabei hat sich Zdravko Mamic (im Bild links) nicht nur mit den Fans von Dinamo verscherzt, sondern auch mit den kroatischen Behörden, die ihn, seinen Bruder (rechts im Bild) und Komplizen zu langen Gefängnisstrafen wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung in Millionenhöhe bei Transfers verurteilten. Interessierten sei die Lektüre vom Artikel im Magazin 11 Freunde wärmstens empfohlen: https://11freunde.de/artikel/der-fall-um-mamic/3497048

¹Handelsregister_PetralitoSportServiceGmbH


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