• Um die Kontrolle über einen allfälligen Stadionum- oder -neubau wurde beim FCL schon früh mit harten Bandagen gekämpft.
• Als Kontrahenten standen sich Romano Simioni und Walter Stierli gegenüber. Letzterer tatkräftig unterstützt durch ʹseinenʹ Club 200.
• Der FCL-interne Machtkampf fand seinen unrühmlichen Höhepunkt im jahrelangen Hickhack um das so genannte «Haus des Sports».
Im Schweizer Fussball ist es unmöglich Geld zu verdienen, wenn man nicht die Kontrolle über ein modernes Stadion hat. Diese Erkenntnis bestimmte Walter Stierlis strategisches Handeln rund um den FCL schon sehr früh. Aber auch Alt-Präsident Romano Simioni wusste um die Bedeutung. Zwei Kampfhähne, die beide die Herrschaft über das Stadion resp. einen möglichen Stadionneubau wollen – wer das kleine Einmaleins auch nur ansatzweise beherrscht, merkt sofort: Das ist einer zu viel!
Als Romano Simioni im Dezember 1974 Präsident des FC Luzern wird, liegt der Verein am Boden. Nur noch 1’500 Masochisten wollen im Durchschnitt die Trauerspiele auf der Allmend sehen. 15 Jahre später ist der FCL in die höchsten Höhen des Schweizer Fussballs vorgestossen und feiert den Meistertitel. Nochmals knapp 10 Jahre später steht er am Rande des Ruins.
Eigeninteressen immer gewahrt
In seiner bewegten Amtszeit als Präsident führte Simioni nicht nur den FCL durch alle möglichen Hochs und Tiefs, er hat auch die schrittweise Modernisierung des Allmendstadions persönlich geprägt. Dabei sorgte er mit der ihm eigenen Schlitzohrigkeit durchaus auch dafür, dass seine Eigeninteressen als Bauunternehmer nicht zu kurz kamen. Etwa als er Anfang der 1980er-Jahre bei der bewilligten Sanierung der Haupttribüne von seiner eigenen Baufirma noch kurzerhand eine komplett neue Vortribüne erstellen liess, was in den Bauplänen nicht vorgesehen war – und entsprechend im städtischen Bauamt für rote Köpfe sorgte.
Walter Stierli betritt 1980 die öffentliche FCL-Bühne. Er ist Initiator und Kopf des «Club 200» und 14 Jahre lang dessen Präsident. Der Club 200 verbindet die finanzielle Unterstützung des FCL mit geschäftlichem Networking und stösst in der Luzerner Businesswelt schnell auf Anklang. Aber Walter Stierli wäre nicht Walter Stierli, wenn er sich mit Hilfe des Club 200 nicht auch persönlichen Einfluss beim FCL sichern würde. So bedingt sich die Gönnervereinigung bereits bei ihrer Gründung einen festen Sitz in der FCL-Geschäftsleitung aus. Diesen Sitz nimmt in den ersten 6 Jahren – wen wundert es – Walter Stierli ein, als Vizepräsident des FCL.
Brisante Ausgangslage
Schnell wird Stierli zum Gegenspieler von Simioni. Beim am Ende unerbittlich geführten Machtkampf der beiden Alphatiere kann sich Stierli voll und ganz auf die Unterstützung ʹseinesʹ Club 200 verlassen. Im Gegensatz zu heute zeigt dieser in den 80er- und 90er-Jahren weit weniger Zurückhaltung, wenn es darum geht, in Fragen der Vereinspolitik Einfluss zu nehmen. So unterstreicht der Club 200 seinen Machtanspruch wiederholt unmissverständlich durch die Androhung (oder den tatsächlichen Vollzug) der Kappung seiner gesprochenen Jahresbeiträge.
Beim Machtkampf zwischen Simioni und Stierli prallen verschiedene Ideologien aufeinander. Während sich Simioni bis zum Schluss in der ʹguten alten Fussballzeitʹ verhaftet sieht, wo Patrons alter Schule Verträge per Handschlag besiegeln, verschreibt sich Stierli schon sehr früh den finanziellen Verheissungen des modernen Fussballs. Ob es um ein «kommerziell optimal verwertbares» Stadion geht oder um die Überführung des FCL in eine AG: Stierli schafft es mit kompromisslosem Machtinstinkt, zäher Ausdauer und kampferprobter Gefühlskälte, seine Eigeninteressen immer wieder an vereinsinternen Widerständen und fussballromantischen Ansichten der Fanbasis vorbei ins Ziel zu bringen.
Simionis «Allmend 2000»
Zum finalen Showdown zwischen Stierli und Simioni kommt es Ende der 90er-Jahre in der Affäre rund um das sog. «Haus des Sports». 1995 geht Simioni mit seiner Vision «Allmend 2000» an die Öffentlichkeit. Er beschreibt darin, wie er sich die FCL-Spielstätte der Zukunft vorstellt. Kein Stadionneubau schwebt ihm vor, sondern eine Modernisierung des bestehenden Allmendstadions. In der Horwerkurve soll eine zweite, Lumag-ähnliche Tribüne mit integrierter Trainingshalle entstehen und die erweiterte, totalsanierte Haupttribüne neben 6’000 Sitzplätzen auch modernen Businesslogen Platz bieten.
Die augenfälligste Neuerung ist aber für ausserhalb des Stadions geplant: Parallel zur Haupttribüne soll ein Haus des Sports gebaut werden. Dieses wird in Simionis Vorstellung nicht nur die FCL-Geschäftsstelle beherbergen, sondern auch zahlreiche weitere Sportklubs und Sportverbände aus der Region. Er denkt etwa an Borba, den SCL, den BTV oder den Innerschweizer Fussballverband – und auch Adidas soll mit einem grossen Showroom im Haus präsent sein.
Plötzlich Gegenwind
Es wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Hans Schmid soll als Generalunternehmer für den Bau verantwortlich zeichnen. Der damalige Baudirektor Werner Schnieper zeigt sich von den Plänen begeistert. Er freut sich über einen neuen, wertvollen Akzent auf dem Allmend-Areal und verspricht: «Der Stadtrat wird alles ihm Mögliche dazu beitragen, dass dieses Projekt realisiert werden kann.»
Gegenwind bekommt das Projekt dann plötzlich von eher unerwarteter Seite, nämlich aus FCL-nahen Kreisen. Denn Walter Stierli, wie immer nicht auf den Kopf gefallen, erkennt schnell: Wird das Haus des Sports erst einmal gebaut, ist’s vorbei mit seinen eigenen Neubauplänen fürs Stadion.
Als im Oktober 1996 im Luzerner Stadtparlament über die Erteilung des Baurechts für das Haus des Sports debattiert wird, kommt es zu einer eher unüblichen Allianz. Neben Vertretern der SP und der Grünen, die einen zu tiefen Baurechtszins für das Bauvorhaben kritisieren, wenden sich auch Stierlis Parteikollegen von der SVP gegen das Projekt. Diese führen eher diffuse Sicherheitsbedenken ins Feld – eine eigenwillige Argumentation, die aber einen Nerv trifft. Denn im politischen Luzern sind die Eindrücke der Ausschreitungen, die 1995 im Heimspiel gegen den FC Basel für Entsetzen sorgten, immer noch frisch. Als Wortführer der Gegner tut sich Stierli-Intimus Bruno Heutschy hervor, seines Zeichens Inhaber der San-Siro-Reisen und streitlustiger Hardliner in Fan- und Sicherheitsfragen. Am Ende der Debatte setzen sich die Gegner knapp durch. Das Projekt wird zurückgewiesen. Simioni schluckt die Kröte, gibt aber nicht auf und verspricht Nachbesserungen.
Seil- und Strippenzieher
Bereits ein knappes Jahr später wird erneut über das Projekt abgestimmt. Am Vortag der Debatte flattert Post ins Haus aller Grossstadträtinnen und Grossstadträte. Absender ist das «Aktionskomitee für den Bau einer multifunktionalen Tribüne». Initiant und Motor dieses Komitees ist – Überraschung, Überraschung! – Walter Stierli. Im Schreiben wendet sich das Komitee vehement gegen den Standort des Hausʹ des Sports. Dieser würde den Bau einer neuen multifunktionalen Tribüne verunmöglichen, welche für die Zukunft des FCL essentiell sei. Denn: Auf Stahlrohrtribünen liessen sich nun mal keine Kundenevents durchführen …
In seinem Kampf gegen Simionis Bauprojekt kann Walter Stierli mittlerweile auf eine breite Unterstützerschaft zählen. Nicht nur der Club 200 steht wie eine Wand hinter ihm, auch der rechtsbürgerliche «Infoclub für freies Unternehmertum» ist an seiner Seite. Und oh Wunder: Sogar der Vorstand der «Vereinigten FCL-Fanclubs» zeigt Flagge und spricht sich gegen Simionis Pläne aus.
Trotz breiter gewordener Gegnerschaft: Im Grossstadtrat herrscht plötzlich ein anderer Wind. Simionis Nachbesserungen zeigen Wirkung, seinem Projekt schlägt viel Goodwill entgegen. Das merkt auch Bruno Heutschy, was ihn zu einer seiner legendär-ruppigen Reden veranlasst. Mit dröhnender Stimme kanzelt er Simionis Projekt pauschal als «Quatsch» ab und wirft befürwortenden Ratsmitgliedern «komplette Unkenntnis der Materie» vor. Das kommt nicht gut an. Am Ende der hitzigen Debatte wird Simionis Projekt das Baurecht erteilt, dies sehr zum Ärger von Stierli & Co.
Mit Haken und Ösen
Doch bei den Gegnern gibt man noch nicht auf. Ein neuer Protagonist aus dem ʹTeam Stierliʹ betritt die Bühne: Silvio Panizza, stadtbekannter Werber, Fasnachtsexperte und semi-professioneller Leserbriefschreiber, reicht beim Regierungsrat eine Gemeindebeschwerde gegen den Entscheid des Grossen Stadtrats ein. Ein juristisch höchst wagemutiges Unterfangen, das mit einer krachenden Niederlage für Panizza endet.
Doch Team Stierli nimmt’s gelassen. Der Kampf gegen das Haus des Sports ist mittlerweile nur noch ein Nebenschauplatz im eskalierenden, FCL-internen Machtkampf. Bei Stierli & Co. geht man jetzt auf tutti. Die IG Zukunft Luzern wird gegründet. Ihr Ziel: Sturz von Simioni und Überführung des FCL in eine Aktiengesellschaft mit neuer Geschäftsführung. Der Club 200, weiterhin treu an Stierlis Seite, erhöht den Druck, indem er den gesprochenen Jahresbeitrag an den FCL nicht auszahlt, sondern mit dem Versprechen zurückstellt, ihn zu verdoppeln, wenn an der nächsten Generalversammlung die Aktiengesellschaftspläne der IG abgesegnet würden.
Mit dem Rücken zur Wand – oder besser gesagt: mit dem Rücken zum erdrückenden, von ihm über die Jahre angehäuften Schuldenberg – geht auch Simioni nochmals in die Offensive. Und fällt seinen letzten fatalen Fehlentscheid: Im Alleingang macht er den Möbeldiscounter Lipo von Spielervermittler Robert Zeiser zum Hauptsponsor des FCL. Wir alle wissen, in welchem finanziellen Desaster dieser Deal endete. Deshalb können wir die Geschichte hier abkürzen.
Verworrene Situation
Ein knappes Jahr später ist Simioni jedenfalls nicht mehr FCL-Präsident. Das Amt hat neu Albert Koller vom Infoclub für freies Unternehmertum inne. Infoclub für freies Unternehmertum? War da nicht etwas? Bekämpfte dieser Club nicht auch Simionis Bauvorhaben? Ein durchaus lohnendes Engagement, denn Verbündete werden im Kosmos des Walter Stierli immer grosszügig belohnt.
So überrascht es denn auch nicht weiter, dass Albert Koller als eine seiner ersten Amtshandlungen bekanntgibt, dass der FC Luzern niemals als Mieter in das Haus des Sports einziehen werde. Für Simionis Projekt ist das ein harter Schlag in die Bau-Magengrube: Das Baurecht ist zwar erteilt, aber gemäss entsprechendem Vertrag darf mit dem Bau erst begonnen werden, wenn zwei Drittel der nutzbaren Fläche fest vermietet sind – ohne FCL als Hauptmieter ein Ding der schieren Unmöglichkeit.
So dümpelt das Projekt noch ein paar Jahre als Totgeburt vor sich hin. Sehr zum Ärger der Stadt und des neuen Baudirektors Kurt Bieder. Dieser drängt auf einen definitiven Entscheid bezüglich des Baubeginns und droht andernfalls mit der Kündigung des Baurechtsvertrags.
Ende gut – alles gut?
Anfang 2001 spricht Simioni nochmals bei der Stadt vor. Er präsentiert Pläne, die aufzeigen, dass neben dem Haus des Sports ein modernisiertes Stadion mit dazugehörender Infrastruktur für Sport, Messewesen und Events problemlos zu realisieren wäre.
Im Prinzip enthält Simionis überarbeitetes Stadionprojekt all das, was seinerzeit von Stierlis «Aktionskomitee für den Bau einer multifunktionalen Tribüne» gefordert wurde. Dies stösst Stierli-Mitstreiter Panizza sauer auf. Er sieht sich zu einem entlarvenden öffentlichen Statement genötigt: «Diese multifunktionale Tribüne hatte doch bereits Walter Stierli dem Projekt Haus des Sports entgegengesetzt und ist damit im Grossen Stadtrat abgeblitzt. Und jetzt wollen die gleichen Initianten des Hauses des Sports doch tatsächlich vier Jahre später unser Projekt realisieren …»
Man merke: Beim Machtkampf um das Stadion ging es nie ausschliesslich darum, was realisiert werden sollte. Entscheidend war immer, wer es realisieren wollte.
Jedenfalls fand auch das optimierte Simioni-Projekt beim FCL keine Gnade. Man weigerte sich weiterhin, ein allfälliges Mietverhältnis auch nur in Betracht zu ziehen. Im April 2003 gaben die Haus-des-Sports-Initianten definitiv auf. Hans Schmid als Generalunternehmer zog das Baugesuch zurück. Zwei Jahre später wurde Walter Stierli FCL-Präsident. Der Weg für sein lang ersehntes eigenes Stadionprojekt war endlich frei …