Wie der FCL beinahe an die AC Milan verscherbelt wurde …
• 2020 verhandelte Bernhard Alpstäg mit der AC Milan über eine mögliche Partnerschaft/Übernahme.
• Die Verhandlungen wurden von Spielerberater und Alpstäg-Einflüsterer Giacomo Petralito initiiert.
• Der Deal scheiterte letztlich am Widerstand aus dem Mailänder Clubumfeld.
Wir schreiben den 11. Februar 2021. Ein Tag zum Vergessen für alle leidgeprüften FCL-Fans. Ein Tag aber auch, den die Hartgesotteneren unter uns, welche die humoristischen Seiten des immer wiederkehrenden FCL-Komödienstadels über all die Jahre zu schätzen gelernt haben, noch lange in Erinnerung behalten werden.
Es ist der Tag, an dem der unsägliche Aktionärsstreit um Walter Stierlis Paket sein vermeintliches Ende findet. Die so genannte Triple-S-Gruppe um Marco Sieber, Samih Sawiris und Hans Schmid hat an diesem Tag endgültig ausgetrippelt. Sie wirft die Flinte ins Korn und verkauft ihre Aktien an Josef Bieri. Das macht sie allerdings nicht, ohne gleichentags ein Statement zu veröffentlichen. Ein Statement, mit welchem ihr das Kunststück gelingt, zuerst der Leserschaft zu versichern, dass die Abgabe der Aktien nur «schweren Herzens» vollzogen worden sei, weil der FCL den dreien «nach wie vor sehr am Herzen liegt» – nur um kurz darauf ihrem Frust darüber Ausdruck zu verleihen, dass der Verkauf des gesamten Holding-Aktienpakets an einen US-amerikanischen Investor aus der Sportbranche gescheitert sei, weil sich Bernhard Alpstäg entgegen vorherigen Abmachungen plötzlich geweigert habe, sich von seiner Mehrheit an der Holding zu trennen.
Jetzt oder nie, Schizophrenie!
Das denkwürdige Triple-S-Statement ist einer jener «Das esch üse FCL»-Momente, bei denen man als Fan vor lauter Kopfschütteln die Überdehnung seiner Nackenmuskulatur riskiert, gleichzeitig aber auch den Drang verspürt, seinen Mageninhalt an die Kanalisation zu übergeben. Denn wer es bis anhin noch nicht wusste, dem wird spätestens jetzt klar: Bei diesem Aktionärsstreit hat man als FCL-Fan nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Und das bleibt so lange so, bis das aktuelle Mehrheitsaktionär-Modell einem gesünderen Konstrukt Platz macht, bei dem die Verantwortung für den FCL auf möglichst viele Zentralschweizer Schultern verteilt wird, inklusive jener der Fans.
Aber Halt! Pest oder Cholera – darf man das so sagen? War es nicht Alpstäg, der mit seinem Veto den Verkauf an einen ausländischen Geldgeber verhindert hat? Ist der Swisspor-Patron nicht der Garant dafür, dass der FC Luzern in Zentralschweizer Händen bleibt?
Leider nein, wie wir inzwischen wissen. Denn auch Alpstäg sass bereits mit ausländischen Investoren am Verhandlungstisch. Und schlimmer noch: Alpstäg hat diese Verhandlungen über den Spielerberater seines Vertrauens, Giacomo Petralito, sogar selbst in die Wege leiten lassen.
1. Akt:
Frühjahr 2020, ein Sitzungszimmer in Luzern. Am Verhandlungstisch wird deutsch, italienisch und englisch gesprochen. Pläne werden geschmiedet und manch einer freut sich über einen baldigen Geldsegen.
In besagtem Sitzungszimmer sind Vertreter der AC Milan, des New Yorker Hedgefonds Elliott Capital und des FC Luzern zusammengekommen. Bernhard Alpstäg ist da und natürlich auch der unvermeidliche Giacomo Petralito, der den kurz vor dem Abschluss stehenden Deal auf den Weg gebracht hat. Und auch Ralf Rangnick, ehemaliger Sportchef und Cheftrainer von RB Leipzig, Sportdirektor von Red Bull Salzburg und Head of Sport and Development Soccer bei der Red Bull GmbH, sitzt mit am Tisch.
Red Bull hurra!
Das hat seinen Grund: Bei der AC Milan ist die Lust auf mediokre Jahre vergangen, man will im europäischen Fussball wieder ganz grosse Brötchen backen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man sich den RB Leipzig zum Vorbild genommen. Man will in Mailand ein ähnliches Fussball-Konstrukt wie bei Red Bull aufbauen. Ralf Rangnick als Trainer und Sportdirektor in Personalunion soll das bewerkstelligen.
Nun gehört zu einem Fussball-Konstrukt à la Red Bull jedoch nicht nur ein strahlender Siegerverein – damit’s funktioniert, braucht es auch ein geknechtetes Farmteam. Für diesen Zweck hat sich Rangnick in Luzern umgeschaut. Er hat ein Heimspiel des FCL besucht und die Infrastruktur der Pilatus-Akademie unter die Lupe genommen. Allem Anschein nach hat ihm gefallen, was er sah. Aus nachvollziehbaren Gründen konnte er sich den FC Luzern gut als Farmteam der AC Milan vorstellen – aus unerfindlichen Gründen war man bei Alpstäg & Co. gleicher Meinung.
In den Fängen des Finanzhais
Auch bei Elliott Capital freute man sich auf den Deal. Der dem amerikanischen Multimilliardär Paul Elliott Singer gehörende Hedgefonds hatte 2018 die Aktienmehrheit an der AC Milan vom chinesischen Investor Li Yonghong übernommen. Li Yonghong war ein Schuldner von Elliott und wurde, als er den Zinsforderungen von Elliott nicht mehr nachkommen konnte, gezwungen, seine Aktienanteile dem New Yorker Hedgefonds abzutreten.
Ein für Elliott Capital typisches Vorgehen. Paul Elliott Singer gilt in der internationalen Finanzszene als höchst aggressiver Investor und skrupelloser Finanzhai. Seine Erfolgsmethode ist berühmt-berüchtigt: Sein Hedgefonds Elliott Capital steigt meist mit vergleichsweise geringem Einsatz in Anleihen und Aktien ein und treibt dann die Unternehmen vor sich her, beginnt sich aggressiv einzumischen und Forderungen zu stellen. Seine Opferliste ist lang: Sie reicht von der Softbank Group über Bayer, Thyssenkrupp, Hyundai und Samsung bis zu ganzen Staaten wie Argentinien.
Kurz nach der Übernahme der AC Milan gerät Elliott Capital ins Visier der Uefa. Der Verdacht steht im Raum, dass Elliott Capital über Strohfirmen auch Anteile am Lille Olympique Sporting Club hält, was gegen Uefa-Regularien verstossen würde. Prompt kommt es in der Folge zu einer verdächtigen Häufung von Transfers zwischen den beiden Vereinen. In Luzern nimmt man die Warnsignale nicht wahr, zu sehr ist man von der Aussicht geblendet, den FCL in eine sportlich und finanziell neue Dimension zu führen. Noch ist die Tinte unter dem Vertrag nicht trocken. Aber schon bald sollte sie es nach dem Willen aller Beteiligten sein.
2. Akt:
Womit man beim FC Luzern nicht gerechnet hat: Dass sich im Vereinsumfeld der AC Milan Widerstand gegen den am Reissbrett so wohlfeil ausgeheckten Umstrukturierungsplan zu regen beginnt. Insbesondere die geplante Inthronisierung von Ralf Rangnick als sportlichen Quasi-Alleinherrscher verletzt Mailänder Befindlichkeiten. Klub-Ikone Paolo Maldini äussert pointiert Kritik an den Plänen, unterstützt wird er bald von einem Grossteil der Anhängerschaft. Der Druck auf die Vereinsverantwortlichen wird immer grösser. Im Juli 2020 ist die Idee, Rangnick bei der AC Milan zu installieren, definitiv gestorben – und damit auch der Deal mit dem FC Luzern.
Epilog
Was ist vom versuchten Deal mit der AC Milan geblieben? Elliott Capital hat seine Beteiligungen an der AC Milan abgestossen. Giacomo Petralito ist hässig, weil sich kurz vor der Ziellinie ein für ihn lukratives Geschäft in Luft aufgelöst hat. Nicht zuletzt hat sich gezeigt, wie erschreckend wenig der Mehrheit der damaligen FCL-Holding-Aktionäre der Aktionärsbindungsvertrag wert war – wie wenig sie sich dafür eingesetzt haben, dass der FC Luzern vollständig in Zentralschweizer Händen bleibt. Oder, um es wohlwollender zu formulieren: wie blauäugig man davon ausging, auch nach abgeschlossenem Milan-Deal die Kontrolle über den FC Luzern zu behalten.
Aus diesem Grund gilt heute mehr denn je: Mehrheitsaktionär-Modell zerschlagen, Neuanfang wagen! Und natürlich: morgen weiterlesen, wenn’s darum geht, wer sich im engsten Dunstkreis von B. Alpstäg tummelt.